Fahrzeugtyp wählen
Hersteller wählen
Modell wählen

Vespas – aus der Flut gezogen

Erstellt von Dietrich Limper um 09:10 Uhr am 14. Oktober 2024

Peter Erhorn, wohnhaft in Altomünster im Landkreis Dachau, ist ein erfahrener Vespa-Liebhaber und -Sammler. Der 64-Jährige ist gelernter Betriebsschlosser und war über 30 Jahre als Versuchsmechaniker für Insassenschutztechnik tätig, bevor er in Altersteilzeit ging. Seit mehr als drei Jahrzehnten betreibt er einen Ersatzteilhandel für Vespa-Oldtimer und hat sich in der Szene einen Namen gemacht. Seine Leidenschaft für Vespa begleitet ihn schon seit über 40 Jahren, in denen er nicht nur zahlreiche Modelle gesammelt, sondern auch restauriert hat. Zudem engagiert sich Peter seit einigen Jahren im Vorstand des Vespa Veteranenclub Deutschland, wo er als Schriftführer aktiv ist.

Vespas voller Schlamm und Dreck

Im Juli 2021 ereignete sich die schreckliche Flutkatastrophe im Ahrtal, bei der 135 Menschen ihr Leben verloren. Noch heute sind die Schäden zu sehen: leere Flächen, abgerissene Häuser, staubige Straßen und die Baufahrzeuge verursachen lange Staus. Peter Erhorn kam in Besitz einiger Vespas, die in den Wassermassen verschwunden waren. Um den Besitzern eine Freude zu bereiten, hat er vor einiger Zeit damit begonnen, diese Roller zu reparieren und restaurieren. Wir haben ihn gefragt, wie es mit der Arbeit losging und wie weit er heute ist.

ahrtal-vespa-03
Schlamm und Dreck ...
ahrtal-vespa-04
... bis in die letzte Ritze

Welche Beziehung hast du zu Rollern bzw. Vespas? Bist du in einem Rollerclub?

Ich habe meine erste Vespa, eine 50 N, im Alter von 16 Jahren zufällig bei einem Händler für Maico-Motorräder entdeckt, als ich dort Teile eingekauft habe. Mit den damals verfügbaren Mitteln habe ich sie dann komplett restauriert. Die Firma Brückl war damals eine gute Ersatzteilquelle.

Da ich zu der Zeit in München arbeitete und auf der Schnellstraße fahren wollte, suchte ich eine größere Vespa und fand eine 150/T3 für wenig Geld. Auch diese habe ich vollständig restauriert.

Meine erste längere Tour führte mich nach Italien zum 1. Registro Storico in Rovereto. Auf dem Heimweg entdeckte ich auf einem Schrottplatz in Südtirol eine zerlegte Vespa 125 V30T, die ich wenige Tage später mit dem Bus eines Freundes abholte. Leider stellte sich später heraus, dass der Roller nicht komplett war. Deshalb fuhr ich immer häufiger auf Oldtimermärkte nach Italien, um die fehlenden Teile zu finden.

Damals war das Angebot nicht so üppig wie heute, und da ich kein Italienisch sprach, war der Handel nicht einfach. Ich kaufte auch immer wieder komplette Roller und Teile und gründete meinen eigenen Vespahandel. Zu dieser Zeit begannen auch einige andere, wie z. B. die Rollerzentrale in München, Heinz vom Rollerladen und Ralf und Alex (SIP), im Rollergeschäft Fuß zu fassen.

Ich bin Mitglied im Vespa Veteranen Club Deutschland und inzwischen dort auch Schriftführer.

img-20210819-wa0033-2
Peter Erhorn

Wie bist du denn mit den Rollern aus dem Ahrtal überhaupt in Kontakt gekommen?

In einer WhatsApp-Gruppe wurde jemand gesucht, der sich um die Roller kümmert. Leider fand sich niemand aus der Region, also bot ich an, die Aufgabe zu übernehmen. Dadurch kam ich in Kontakt mit Ingo Herfurt von der Firma Elvermann. Mich reizte die Aufgabe und es hat mich interessiert ob man einen abgesoffenen Roller wieder flott machen kann und welche Schäden durch Wasser und Schlamm entstehen.

Du hast ja vor einem Jahr oder so schon einmal Roller aus der Flut gezogen und instandgesetzt. Wie kam es dazu? Wie ist das gelaufen?

Nicht ich, sondern die Firma Elvermann, die sich seit Beginn der Flutkatastrophe im Ahrtal engagiert, hat die drei Roller und zwei Autos der Familie geborgen und auf ihrem Betriebshof zwischengelagert. Die Firma Elvermann vertreibt Schalungsmaterial und ist in vielen sozialen Projekten aktiv. Sie hat Unternehmen gesucht, die die Fahrzeuge – die einzigen verbliebenen Erinnerungen der Familie – wieder instandsetzen. Darunter ist auch der Fiat 500, mit dem Pizzeriabesitzer Robertos Vater in den 70er Jahren aus Italien ins Ahrtal fuhr. Die Pizzeria hat Roberto nach der Flut schließen müssen.

In welchem Zustand sind die Roller?

Alle Roller waren abgesoffen und trotz der Reinigung nach der Bergung immer noch überall voller Schlamm. Der ockerfarbene Schlamm findet sich selbst in den Scheinwerfern und anderen Anbauteilen. Die Motoren waren mit einem Wasser-Öl-Gemisch gefüllt, das jedoch erstaunlicherweise die inneren Bauteile recht gut geschützt hat. Ich hatte mir den Zustand der Roller schlimmer vorgestellt.

Wie gehst du bei der Instandsetzung vor? Musst du etwas Besonderes beachten?

Zunächst habe ich jeden Roller komplett zerlegt, um einen Überblick über die Schäden zu bekommen. Mein Ziel war es, so viele Originalteile wie möglich zu retten. Dabei stellte sich die Frage: Welche Teile sind noch brauchbar, und was muss unbedingt ausgetauscht werden?

Am Chassis mussten alle Lager – Lenklager, Schwingenlager, Achslager, sowie Seilzüge – erneuert werden. Auch Schalter, Scheinwerfer, Reifen, Schläuche und Felgen mussten ersetzt werden.
Bei den Motoren wurden die Kurbelwellen, Zylinder/Kolben, sämtliche Lager und Wellendichtringe ausgetauscht, was man ohnehin tut, wenn man den Motor komplett zerlegt. Einige Verschleißteile mussten ebenfalls ersetzt werden, da sie grenzwertig waren. Bei einem der Motoren war die Drehschieberfläche beschädigt und wurde durch die Vermittlung von Udo Enderle (Enderle Solutions) von Stefan Teutrine kostenlos instandgesetzt.

Ein Problem war auch das seltsame Setup der „50 ccm Motoren“: Hier haben sich diverse, vermutlich unerfahrene Schrauber, mit nicht stimmigen Komponenten ausgetobt. Ob das alles so funktioniert hat? Da ich im 50er-Bereich nicht so erfahren bin, hat mich Markus Tomasini aus Innsbruck vielfach mit seinem Fachwissen beraten, um ein passables, funktionierendes Setup zu verbauen.

ahrtal-vespa-05
Es geht nur in kleinen Schritten voran ...
ahrtal-vespa-06
... aber es tut sich was.

Wie lange werden diese Projekte dauern? Was schätzt du?

Da ich nicht kontinuierlich an den Rollern arbeite, weil ich auch andere Hobbys habe, lässt sich die Dauer schwer abschätzen. Leider gab es immer wieder Rückschläge, aber inzwischen laufen beide Roller und ich bin auf der Zielgeraden.

Unterstützt dich jemand bei der Arbeit oder machst du alles allein?

Bei der Reparatur des Drehschiebers hat mir, dank der Vermittlung und Spende von Udo Enderle von Enderle Solutions, jemand geholfen. Ansonsten erledige ich alle Reparaturen selbst.

Was soll später mit den Vespas passieren, wenn sie wieder fahrtüchtig sind?

Die Vespas gehen zurück an ihre Besitzer ins Ahrtal und werden ihnen hoffentlich ein wenig Freude bereiten.

In welcher Form hat dich SIP unterstützt?

SIP hat mich großzügig mit einem zusätzlichen Extrarabatt von 10 % auf meinen bereits bestehenden Händlerrabatt unterstützt – vielen Dank dafür!

Gibt es noch etwas, das du loswerden möchtest?

Ich möchte den zahlreichen Spendern danken, die dem Spendenaufruf von Stefan Rohleder über die „Rohlenker“-WhatsApp-Gruppe gefolgt sind und einen Beitrag geleistet haben. Ebenso möchte ich Udo Enderle für die Organisation der Drehschieberreparatur danken sowie der Firma Elvermann, die die Transporte, aber auch den Großteil der Reparaturkosten übernommen und mich tatkräftig unterstützt haben.

Ich habe meinerseits das Projekt mit der Weitergabe meiner Händlerrabatte und ermäßigten Stundensätzen unterstützt. Eigentlich ist es mehr eine ideelle Unterstützung, da die Fahrzeuge kostenmäßig einen wirtschaftlichen Totalschaden darstellen.

Wichtig war es mir, ein wenig Freude und Hoffnung ins Ahrtal zurückzubringen.

Peter, wir bewundern deinen Einsatz und wünschen für den Fortgang alles Gute.

Video: Wie kostbare Oldtimer das Hochwasser überstanden haben

Dietrich Limper
Dietrich Limper

Dietrich Limper arbeitet als Redakteur für SIP Scootershop, außerdem schreibt er für lokale und überregionale Publikationen. Wenn er nicht gerade Geocachen geht, genießt er die Erinnerung an die Deutsche Meisterschaft von Bayer Leverkusen.

×